MAX PRANTL

 

DER MENSCH OHNE ANGST

(Licht aus der Herzmitte)

Max Prantl

Max Prantl

(Innsbruck, Tirol 1913-1957 Innsbruck, Tirol)

 


GOTT UND ALLE lichten Mächte zwingen zu nichts, sie wollen die völlige Freiheit des Willens. Darum darf auch kein Mensch von anderen Menschen zum Guten gezwungen werden. Nur die teuflischen Mächte versuchen zu zwingen und scheinen darum zunächst stärker als die lichten. (...)

Man darf niemand seine Hilfe aufdrängen, weil man weiter zu sehen meint als er. Wohl aber muß man immer bereit sein zu helfen, wenn sich der andere helfen lassen will. Man darf kein Gekränktsein in sich dulden.

Man darf niemand blind gehorchen, gegen die eigene Überzeugung, selbst wenn sie ein Irrtum wäre. (...)

Weder Gott noch eine andere lichte Macht will blinde Verehrung, blinden Glauben. (...)

Ich will die Wahrheit, wie sie auch sein mag, weil es die Wahrheit ist. (...)

Der unerschütterliche Wille zur Wahrheit, wie sie auch sein mag, entscheidet für ewig. (...)

Ich will vor nichts und niemand Angst haben. Nichts und niemand kann mir schaden, solange ich tapfer und aufrecht bin. Wenn ich sonst nichts mehr tun kann, dann kann ich immer noch meine Gedanken und Gefühle völlig ruhig halten. (...) Ich hoffe und wünsche (...) nicht mehr. Ich erkenne und ich will. (...)

 

 

 

 

 

 

Prantl: Blumenbild

Blumenaquarell von Max Prantl

Werden (...) Ansatzstellen der Angst (ganz gleich, ob dabei eigenes Schuldgefühl mitspricht oder nur die Angst vor einem schrecklichen Erlebnis der Vergangenheit an sich) von haßerfüllten Feinden (seelischen Erpressern) [aus dem Unterbewußtsein] wieder ins Bewußtsein gezerrt und zielbewußt verstärkt, so kann das eine »Angstpsychose« hervorrufen und das Opfer zum willenlosen Werkzeug seiner Feinde machen. Das ist die ständige Taktik der dämonischen Mächte. Sie haben einen scharfen Blick für solche Ansatzstellen der Angst bei ihren Gegnern, sie »tasten« sie unablässig daraufhin ab. (...)

Im äußeren Leben richtet jede dämonische Macht, sobald sie ihrer verblendeten Anhänger sicher ist, ein »Terrorregiment« auf und prägt möglichst viele schreckliche Gewalttaten dem Gedächtnis der Unterdrückten ein, um sie in willenloser Abhängigkeit zu halten. Sie hat es ja dann jederzeit in der Hand, die Erinnerung an die von ihr verübten Greuel wieder aufleben zu lassen und dadurch eine Angstpsychose zu erzeugen, die ihre Opfer wehrlos macht, solange sich diese von ihrer dauernden Angst nicht freimachen können. (...) Ihre Macht besteht nur in der Angst, die sie durch ihre Bestialität auszulösen vermögen. In derselben Weise suchen die dämonischen Mächte das seelische Leben des Einzelnen zu beherrschen. Sie suchen ihre Opfer oder ihre Gegner (...) mit oder ohne ihre eigene bewußte Schuld in entmutigende, entwürdigende oder schreckliche Erlebnisse zu verstricken, genießen die Entwürdigung und die Qual des anderen als Lust und frischen die Erinnerung daran immer wieder auf, um ihn ständig in Angst und Abhängigkeit zu halten. (Häufig bleibt diese Angst und Abhängigkeit unterbewußt, entzieht sich dadurch der Erkenntnis und wirkt allgemein lähmend). Das erste Ziel aller dämonischen Mächte in der inneren und äußeren Welt ist die Zertrümmerung des »moralischen Rückgrats«, des Muts zur eigenen freien Entscheidung. (...)

Der geistig noch nicht Erwachte empfindet sein eigenes göttliches Ich als unpersönliches, über ihm stehendes oder ihm innewohnendes Gesetz, das er erfüllen muß, ob er »will« oder nicht, besser gesagt, ob es es wünscht oder nicht. Er kann noch gar nicht bewußt wollen, er kann nur wünschen und seine Wünsche in Einklang bringen mit seinem Gewissen, mit der Stimme seines wahren göttlichen Willens. (...)

Nur der Erwachte kennt die Freiheit des Willens aus eigener Anschauung, aus eigenem Erleben. Was ich selbst als Ewiges Ich, als Geistselbst sehe und erlebe, das weiß ich unwiderleglich, auch wenn der irdische Verstand davon nichts erklären, nichts davon beweisen kann. Wenn die Freiheit verstandesmäßig zu beweisen, festzunageln wäre, dann wäre sie nicht mehr Freiheit, dann wäre sie ein Zwangsbegriff. Dann müßte man frei sein, ob man will oder nicht. Die Freiheit ist aber ein Geschenk, keine Verpflichtung. (...)

Mit der Wahrheit (im geistigen Bereich) verhält es sich ebenso wie mit dem Freien Willen. Man kann etwas als Wahrheit ahnen, empfinden oder aber erkennen, unmittelbar anschauen, erleben. Aber man kann sie nicht mit dem Verstand beweisen, weder ihre Herkunft noch ihren Inhalt. Könnte man das, so würde man (...) auf alle verständigen Menschen einen Denkzwang ausüben, der jede Freiheit des Handelns ausschlösse.

Alle sittlichen Unzulänglichkeiten, alle »Süchte«, alle Laster haben ihren Ursprung in der Angst, in der Furcht. Sie sind »verlarvte« Angst oder Furcht. Allen liegt die Angst vor Verlusten, vor Minderung der Lebensfreude, vor Einbuße an Lust, vor Schmerz und Leid zugrunde. (...)

Der Gierige fürchtet, die Zeit oder die Gelegenheit zu verpassen, zu kurz zu kommen, leer auszugehen.

Der Ehrgeizige (besser: Ehrgierige) fürchtet, nicht oder nicht genug anerkannt zu werden, er giert nach Anerkennung, er fürchtet um seine Selbstschätzung, wenn er seinen Wert nicht von anderen bestätigt sieht.

Der Selbstsüchtige fürchtet, durch die Hingabe an fremdes Leid, durch Opfer und Hilfe für andere seine Möglichkeiten des Lebensgenusses zu mindern, seine Freiheit des Handelns aufzugeben, sich selbst oder sein Eigentum mit anderen teilen zu müssen und dadurch an Lebensfreude zu verlieren.

Der Mutlose, der Feige fürchtet, in der Gefahr zu versagen, er fürchtet sich vor Schmerz und Leid, vor Enttäuschung, vor dem irdischen Tode. Er fürchtet, mit dem irdischen Leben sich selbst zu verlieren.

Der Heuchler fürchtet, von seinen Mitmenschen oder von seinem eigenen göttlichen Geistselbst durchschaut, bestraft, verachtet zu werden.

Der Ärgerliche, der Wütende fürchtet, seine Wünsche und Absichten nicht durchsetzen zu können.

Wer hochmütig ist, wer verachtet, fürchtet, durch die Berührung mit vermeintlich oder wirklich Tieferstehenden beschmutzt, herabgezogen zu werden. (...)

Dem Haß, der »flammenden Abneigung«, liegt die Angst zugrunde, Freiheit, Lebensfreude oder Leben an einen gefährlichen, mächtigen oder übermächtigen Gegner zu verlieren. Der Hassende kann dabei an sich selbst oder an geliebte Angehörige und soziale Gemeinschaften denken.

Rachegelüste, Rachegier sind ein durch Angst verzerrtes Verlangen nach Gerechtigkeit. . .

Der »sozial Entgleiste«, der Arbeitsscheue hat Angst vor anstrengender, ehrlicher Arbeit, der er sich nicht gewachsen glaubt oder von der er fürchtet, sie könnte seine Lebensfreude mindern (ähnlich wie der Träge).

Bei der Sorge, Bedrückung, Unruhe, Hast, Ungeduld ist der Zusammenhang mit der Angst offenkundig.

Jede Art von Angst (verlarvt als Unruhe, Ärger, Gier usw.) hat unausbleiblich Müdigkeit, Lässigkeit, Erschöpfung der Kräfte zur Folge. . .

Jede Art von Angst beruht auf einem Irrtum, auf mangelnder Einsicht und Erkenntnis oder auf einer absichtlichen Verzerrung der Wahrheit in der Vergangenheit. (...)

Wer sich von der Angst jeder Art nicht lösen kann, der ist noch tief verblendet. Er wird es können, wenn er Geduld entwickelt, Geduld ist der erste Schritt zur Freiheit vor Angst.

Jede Art von Angst ist ein Schwächezeugnis.

Angst kann nur lähmen, verkrampfen, verblenden und fordert als Folge und Gegenwirkung Schmerz und Leid heraus.


Max Prantl (1913-1957)
Licht aus der Herzmitte. (Der Mann ohne Angst, 1949)

Hermann-Bauer-Verlag: Freiburg/B. 1985


 

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