Zarathushtra
und der
Stern von Bethlehem

Ein Weihnachtsgeheimnis

Anbetung der Magier-Koenige

Anbetung der Magier-Könige
Mosaik in S. Apollinare, Ravenna (um 555)

 


 

Yasht VIII,2-7

Ed. Fritz Wolff: Avesta. Die heiligen Bücher der Parsen. Straßburg 1910, S. 186

Tishtrya [Sirius], den leuchtenden Stern mit sonnenhaftem Glanz,
verehren wir mit Andacht,
in dem Friede wohnt, die selige Ruhe,
den weißgoldglänzenden, alleuchtenden,
aufstrahlenden, heilwirkenden, uns voranbringenden,
den hocherhabenen, der von weither leuchtet
mit seinen Strahlen, den lichten, makellosen,
der die Wasser weithin strömen läßt
und den heilvollen Strom Vanhvâh, der von weither sich ergießt,
den göttlichen (mazdâgeschaffenen) Namen des Rindes,
den gewaltigen königlichen SonnenÄtherStrahlenkranz.
Wir verehren ihn als den Genius (fravashay)
des im Wahrheits-Geistwesen (asha) Geborenen,
Spitama Zarathushtra.

 


 

Aus dem »Scholienbuch« des Theodor bar Kônî

Nach Franz Cumont/Joseph Bidez: Les Mages hellénisés. Bd. II. Reprint Paris 1973, S. 126-129.

Theodor bar Kônî war ein syrischer Geistlicher des 8. Jh.

Zaradusht saß nahe dem Wasserquell von Glôsha von Hurîn an der Stelle, wo von den alten Königen ein Bad errichtet worden war, er öffnete den Mund und sprach zu seinen Schülern Gushtasp [Vishtâspa = Hystaspos], Sâsan und Mâhman [Mêdyômâh]:

»Ich richte mich an euch, meine Freunde und (meine) Söhne, die ich euch durch meine Lehre nährte. Hört, wie ich euch das erhabene Mysterium über den großen König offenbare, der in die Welt kommen soll. So wird am Ende der Zeiten, da sie durch die Auflösung vollendet werden, ein Kind gezeugt und geformt mit [all] seinen Gliedmaßen im Schoße einer Jungfrau, ohne daß sich ihr ein Mann genähert hätte. Es wird einem Baum gleichen mit schönem Geäst und fruchtbeladen, der auf verdorrter Erde wächst. Die Bewohner (dieser) Erde werden sich seinem Wachstum entgegenstellen und ihn zu entwurzeln suchen, aber es wird ihnen nicht gelingen. Dann werden sie ihn ergreifen und ihn am Galgen töten; Himmel und Erde werden seinen gewaltsamen Tod betrauern, und alle Völkerfamilien werden ihn beweinen. Er wird den Abstieg in die Erdtiefen öffnen, und aus den Tiefen wird er in die Höhen steigen. Dann wird man ihn mit der Heerschar des Lichtes herannahen sehen, getragen von lichtweißen Wolken, denn er ist das Kind, das vom Schöpferwort aller Dinge gezeugt wurde.«

Gushtasp spricht zu Zaradusht: »Von dem du all das verkündet hast, woher bezieht er seine Macht? Ist er größer als du, oder (bist du) größer als er?«

Zaradusht spricht zu ihm: »Er wird meiner Familie entspringen und meinem Stammbaum. Ich bin er und er ist ich. Ich bin in ihm und er ist in mir. Wenn seine Ankunft herannaht, werden große Wunder am Himmel erscheinen. Man wird einen leuchtenden Stern mitten am Himmel sehen, sein Licht wird heller als das der Sonne sein. Darum also, o meine Söhne, ihr, Samen des Lebens, dem Schatze des Lichtes und des Geistes entsprungen, ihr müßt auf der Hut sein und wachend die Erfüllung dessen erwarten, wovon ich euch sprach, weil ihr vorzeitig die Ankunft des großen Königs erkennen werdet, den die Gefangenen erwarten, um befreit zu werden. Darum, o meine Söhne, hütet das Mysterium, das ich euch offenbart habe. Möge es eurem Herzen eingeschrieben sein, möge es in dem Schatz eurer Seele behütet werden. Und wenn der Stern aufgeht, von dem ich euch kündete, schickt (dann) Gesandten aus, die Geschenke mit sich tragen, um ihn (den Stern) zu verehren und ihm darzureichen. Vernachlässigt ihn nicht, damit er euch nicht durch das Schwert umkommen läßt, denn er ist der König der Könige, und von ihm erhalten sie alle die Krone. Ich und er, wir sind eins.«

Diese Dinge wurden von dem zweiten Balaam verkündet; entweder daß ihn Gott gemäß Seiner Natur gezwungen hat, dies Orakel wiederzugeben, oder daß er wie ein Mann aus dem Volke von den Prophezeiungen, die den Messias betreffen, überzeugt wurde, und daß er sie vorzeitig enthüllt hat.

 


 

Aus dem »Lateinischen Kindheitsevangelium«

Nach Wilhelm Schneemelcher: Neutestamentliche Apokryphen Bd. I: Evangelien. 6. Aufl. Tübingen 1990, S. 370

Als daher die Stunde näher kam, da trat die Macht Gottes offen in Erscheinung. Und die Jungfrau [Maria] stand da, schaute zum Himmel und wurde schneeweiß [?]. Denn schon war das Ende der Heilsereignisse im Vorschreiten. Als aber das Licht hervorgekommen war, betete Maria den an, von dem sie sah, daß sie ihn geboren hatte. Das Kind aber sandte mit Macht Strahlen ringsumher nach Art der Sonne und war rein und höchst lieblich anzuschauen, da es allein als Friede überall Frieden verbreitend erschien. In jener Stunde aber, als er geboren wurde, hörte man eine Stimme vieler unsichtbarer Wesen, die einstimmig »Amen« sagten. Und das Licht selbst, das geboren wurde, vervielfachte sich und verdunkelte mit der Helligkeit seiner Leuchtkraft das Sonnenlicht. Und diese Höhle wurde von hellem Licht erfüllt samt dem süßesten Duft. So wurde dies Licht geboren, wie Tau vom Himmel zur Erde herniedersteigt. Denn sein Duft riecht stärker als aller Wohlgeruch von Salben.

Ich aber stand da, starr vor Verwunderung, und Furcht ergriff mich. Denn ich schaute in den gewaltigen Glanz des geborenen Lichtes. Das Licht selbst aber zog sich allmählich in sich zurück, gleich sich einem Kinde an, und in einem Augenblicke wurde es zum Kinde, wie Kinder geboren zu werden pflegen. Und ich faßte Mut, neigte mich, berührte es, hob es in die Höhe mit meinen Händen in großer Furcht, und ich erstarrte vor Angst, denn es hatte kein Gewicht, so wie andere Menschenkinder, die zur Welt kommen. Und ich schaute es an, und es war keine Verunreinigung an ihm, sondern es war glänzend am Körper wie vom Tau des höchsten Gottes, leicht zu tragen, strahlend anzuschauen. Und während ich mich sehr darüber wunderte, daß es nicht weinte, wie neugeborene Kinder zu weinen pflegen, und während ich es hielt und in sein Gesicht schaute, lachte es mich an mit dem lieblichsten Lächeln, öffnete seine Augen und schaute mich scharf an. Da trat plötzlich aus seinen Augen ein großes Licht hervor wie ein gewaltiger Blitzstrahl.

 


 

Aus dem »Arabischen Kindheitsevangelium«

Ed. P. Peeters: Évangiles apocryphes. Bd. II, Paris 1914, S. 69ff.

Wahrscheinlich beruht dieses arabische Evangelium auf einer alten syrischen Quelle

Als der Herr Jesus in Bethlehem zu Judäa zur Zeit des Königs Herodes geboren wurde, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Bethlehem, so wie es Zoroaster prophezeit hatte. Und sie brachten Geschenke mit sich: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Sie huldigten dem Kind und boten ihm die Geschenke dar. Da nahm die heilige Maria eine der Windeln und reichte sie ihnen als Zeichen des Dankes. Die Weisen nahmen sie aus ihren Hängen unter Ehrerweisung entgegen. Und im selben Moment erschien ihnen ein Engel in Gestalt desjenigen Sternes, der zuvor ihr Führer gewesen war. So zogen sie dahin und das Licht des Sternes leuchtete ihnen bis zur Ankunft in ihrem Land.

 


 

Aus der »Schatzhöhle«

Ed. Carl Bezold. Leipzig 1882, S. 56f.

Mesopotamischer Text aus dem 6. Jahrhundert, beruht vermutlich auf einem älteren Text aus dem 2. oder 3. Jahrhundert

Zwei Jahre aber vor der Messias geboren wurde, erschien den Magiern der Stern; sie sahen aber einen Stern am Firmament, welcher in einem helleren Lichte als alle anderen Sterne strahlte. Und in seiner Mitte war ein Mädchen, welches einen Knaben trug, und auf dessen Haupt war eine Krone gesetzt. Es war nämlich eine Gewohnheit der früheren Könige und chaldäischen Magier, alle ihre Zustände aus den Sternbildern zu erforschen. Und als jene den Stern sahen, da gerieten sie in Verwirrung und Furcht und ganz Persien war aufgeregt. (...) Eilends lasen die Magier und Chaldäer in ihren gelehrten Büchern, und durch die Kraft der Weisheit ihrer Schriften erreichten sie ihren Zweck und standen auf dem mächtigen Boden der Wahrheit. Denn in Wahrheit wurde das von den chaldäischen Magiern gefunden, daß durch den Lauf derjenigen Sterne, welche sie Tierkreiszeichen nannten, sie die Kraft der Tatsachen voraus erkannten, noch ehe dieselben eintraten. (...)

So fanden auch diese Magier, als sie zusahen und in dem Orakel des Nimrod lasen, in demselben, daß ein König in Judas geboren werden würde; und der ganze Weg der Heilsordnung des Messias wurde ihnen geoffenbart. Und sofort verließen sie gemäß der Tradition, die sie durch die Überlieferung ihrer Väter erhalten hatten, den Osten, stiegen hinauf zu den Bergen von Nod, welche an den Eingängen zum Osten von den Grenzen des Nordens her sind, und nahmen von dort Gold, Weihrauch und Myrrhen. (Diese Gaben aber hatten sich mit Adam in der »Schatzkammer« befunden ).

 


 

Aus dem »Buch von Adam und Eva«

Nach Cumont/Bidez: Les Mages hellénisés II, 123ff

Äthiopisches Apokryph aus dem 5./6. Jh.

Und als Christus zu Bethlehem geboren wurde, kündete dies ein Stern im Osten, und Magier sahen ihn. In den Himmeln erschien dieser Stern unter all den anderen Sternen. Er glänzte und war wie das Antlitz eines Weibes, eines jungfräulichen Mädchens, die unter den anderen Sternen saß, glänzend, als ob sie ein kleines Kind von wunderschöner Erscheinung hielte. Von der Schönheit Seines Anblicks erstrahlten Himmel und Erde und Seine Schönheit und Sein Licht erfüllten die Höhen und die Tiefen. Und das Kind war in den Armen des jungfräulichen Weibes, und eine Wolke aus Licht umgab den Kopf des Kindes gleich einer Krone.

Aber es war ein Brauch bei den Chaldäern, die Sterne des Himmels zu beobachten, um von ihnen Rat zu holen. Und sie zählten die Sterne. (...) Und sie befragten Wahrsager und Philosophen, bis sie sicher wußten und entdeckten, daß der König der Kinder von Israel geboren war. (...) Deshalb wußten die Magier, als sie in ihren Büchern nachlasen, daß Christus im Lande Juda zur Welt kommen sollte. So stiegen sie auf einen hohen Berg im Osten, während sie nach Westen kamen, und bevor sie auf ihre Reise aufbrachen, holten sie die Gaben, die sie bereitet hatten, die da sind: Gold, Weihrauch und Myrrhe - diese waren mit Adam in der Schatzhöhle.

 


 

Pseudo-Dionysios Aeropagites:

Astronomischer Traktat

ca. 6. Jh.
Nach Cumont/Bidez: Les Mages hellénisés II, 126

Ein Kapitel handelt von dem »Irrtum der Chaldäer« und von dem »Königlichen Stern«, der am 27. April, dem Datum des Auszugs aus Ägypten, und am 25. Dezember wirksam wurde, und den man mit Shiyun, d.h. Saturn [vielmehr: Sirius?] identifizierte; für die Syrier war es der Stern, der die Israeliten durch die Wüste führte.

»(...) Und da die Chaldäer diesem Stern das Königtum zuschreiben, ist ein einziger König unter diesem Stern geboren: Christus, der Sohn Gottes. Warum wurde dem Stern das Königtum zugeschrieben? Hört, Freunde der Weisheit. Diesen Stern sahen die Magier auf dem Berg der Herrlichkeiten, auf dem die Gaben des Goldes, der Myrrhe und des Weihrauches lagen. Und die Höhle, in der sich diese Gaben befanden, wurde »Schatzkammer« genannt. Dieser Stern war für die Magier ein Führer, als sie von Persien kamen. Darum schrieben ihm die Chaldäer das Königtum zu, und in diesem Punkt haben sie sich nicht geirrt.«

 


 

Die Kommentare des Ishô'dad von Merv,
Bischof von Hadatha

Nach Cumont/Bidez: Les Mages hellénisés II, 131f.

Ishô'dad von Merv (um 850) war Katholikos der Nestorianer und schrieb Kommentare zum Alten und Neuen Testament

Da gab es drei Königssöhne und neun Söhne von Adligen ihrer Länder; und der Perserkönig, welcher die Magier sandte, hieß Pirshâbûr, und die Magier kamen durch die Führung in Gestalt eines Sternes. Da sahen wir einen Stern im Osten, in der Mitte des Sternes erschien eine Jungfrau, die ihren Sohn umarmte, und aus vielen Dingen geht hervor, daß dies kein wirklicher Stern war, auch keine Einbildung und kein Automaton, sondern ein Engel, der wie ein Stern von Persien bis nach Bethlehem strahlte.

(...) Und es wurde gefragt: Woher wußten die Magier, als ihnen der Stern erschien, daß der König der Könige geboren war und daß sie ihm dreifältige Gabe bringen sollten? Einige sagen, sie wußten es von Daniel; und zwar kamen zu der Zeit, als Nebuchadnezar regierte, Magier von Sheba nach Babylon an den Palast, um dem König Geschenke zu bringen und Chaldäismus zu lernen; und Daniel sagte zu ihnen, daß wenn der Messias geboren werde, die Könige von Sheba und Seba Ihm Gaben darreichen sollten. Diese jedoch schrieben es in einer Bibliothek nieder, d.h. in ihren eigenen Archiven, und in ihren Aufzeichnungen, d.h. in einem Buch der Erinnerung. Andere sagen, daß sie (die Magier) es von Balaam wußten; aber um die Wahrheit zu sagen, war es von Zerdusht verkündet worden, dem Haupt ihrer Lehre, d.h. göttliche Gewalt drängte ihn dazu, wie Balaam und Kaiphas; oder weil er aus dem Stamme Israels war und die Schriften kannte; und andere sagten, er wäre Baruch gewesen, der Schüler des Jeremias.

Und weil ihm die Gabe der Prophezeiung nicht gegeben wurde, wie er es begehrte, und auch wegen der bitteren Gefangenschaft und der Zerstörung Jerusalems und des Tempels etc., darum war er beleidigt und begab sich zu den Heiden und erlernte zwölf Sprachen, und schrieb in ihnen dieses von Satan Erbrochene, d.h. dieses Buch von ihnen, das sie Abhasta (Avesta) nennen. Denn darin steht geschrieben, daß Zerdusht an einem Wasserquell saß, der für die alten Könige als Bad eingerichtet worden war, als er plötzlich den Mund öffnete und zu seinen Schülern sprach: »Hört, meine Geliebten und Söhne, die ihr in meiner Lehre aufgewachsen seid; denn in den letzten Tagen soll eine Jungfrau, eine Hebräertochter, ohne ehelichen Verkehr einen Sohn gebären, in welchem etwas von der göttlichen Natur leben wird, und er wird wunderbare Wunder und Zeichen vollbringen, und im Augenblick seiner Geburt wird euch ein Stern gezeigt werden. Bringt drei Geschenke als Gaben zu ihm: Gold, Myrrhe und Weihrauch, denn Er ist der König der Könige, etc.«

Dann sprach er zu ihnen ausführlich über die Passion und Tod und Auferstehung und Himmelfahrt etc. Aber die Magier wurden für ihre Anstrengung nicht belohnt, und es geschah nicht durch ihren Wille, daß sie kamen, und sogar danach glaubten sie nicht an die Wahrheit. Auch Balaam wurde nicht für die Prophezeiung über unseren Herrn belohnt.

 


 

Chronik von Zuqnîn

(syrisch, um 774/75 n. Chr.)

Ugo Monneret de Villard: Le leggende orientale sui magi evangelici. Città del Vaticano 1952, S. 27ff.

Und wir haben Gesetze und Gebote von unseren Vätern übernommen; auch wir lernten alle Mysterien und ermahnten unsere Söhne: »Vielleicht ereignet sich in euren Tagen die Ankunft des Lichtes dieses Sterns, wie wir von unseren Vätern übernommen und gelernt haben«.

Und wir stiegen zum Siegesberg hinauf. And als wir alle versammelt waren, jeder einzelne aus seinem Wohnort, warteten wir am Fuße des Berges an einer Stelle, in Reinheit, am 25. Tage des Monats, wie alle Monate. Und wir tauften uns in einer Quelle, die am Fuße des Berges sich befand, und diese Quelle wurde »die (Quelle) der Reinigung« genannt. Und oberhalb dieser Quelle standen sieben Bäume: Olive, Weinstock, Myrte, Zypresse, Zitrus, Zeder und Tanne.Und jener ganze Berg ist schön und herrlich, mehr als alle andern Berge, die sich in unserem Lande befinden, über alle Maßen. Und von ihm ging aus der Duft aller Wohlgerüche, und der Tau, der darin troff, war wohlriechender Duft.

Und als der Anfang des Monats kam, stiegen wir hinauf und gingen bis zur Spitze des Berges und standen vor dem Eingang der Höhle der verborgenen Mysterien und fielen auf unsere Knie und breiteten unsere Hände gen Himmel aus und beteten und verehrten in schweigen, ohne Wort, den Vater der höchsten Größe, die unaussprechlich und unendlich ist bis in Ewigkeit. Am dritten Tage traten wir in die Höhle hinein zu den aufgespeicherten Schätzen, die vorbereitet waren als Geschenke für den Stern und zur Verehrung jenes Lichtes, auf welches wir warteten ...

Als aber die Zeit und die Vollendung dessen kam, was in den Schriften geschrieben steht, betreffs der Offenbarung des Lichtes jenes verborgenen Sterns, wurden auch wir dessen würdig, daß er in unseren Tagen komme und wir ihn mit Freude empfängen, wie uns von unseren Vätern befohlen war und wie wir auch in den Schriften gelesen hatten. Und jeder einzelne von uns sah wunderbare und verschiedene Visionen, die von uns vorher nie geschaut worden waren, aber deren Mysterien sich in den Schriften befanden, die wir gelesen hatten, und wir kamen, jeder einzelne von uns von seinem Wohnort, gemäß unserer früheren Gewohnheit, um zum Berg der Siege hinaufzusteigen »und um uns zu taufen« in der Quelle der Reinigung, um uns, wie wir gewohnt waren, zu waschen.

Und wir sahen »ein Licht« in der Gestalt einer Säule von unausprechliche Licht, das herunterstieg und über »den Mysterien« stehen blieb. Wir fürchteten uns und wurden erregt, als wir es sahen, und über ihm den leuchtenden Stern, von dessen Licht zu sprechen wir nicht imstande waren, da sein Licht um vieles heller war das der Sonne. Und nicht vermochte die Sonne, vor dem Licht seiner Strahlen zu bestehen, und so wie der Mond erscheint in den Tagen des Nisan, wenn die Sonne aufgeht und er von ihrem Lichte verschlungen wird, so erschien uns jetzt die Sonne, als der Stern über uns aufgegangen war. Uns aber und den Mysteriengenossen erschien das Licht des Sternes, das heller als (das Licht) der Sonne war, aber keinem anderen erschien es, weil sie von seinen Mysterien und seiner Ankunft fern waren. Und wir freuten uns und priesen und bekannten über die Maßen den Vater der höchsten Größe, daß (d)er (Stern) in unseren Tagen erschienen und daß wir würdig gewesen seien, ihn zu schauen.

Und als wir uns in der Quelle der Reinigung mit Freuden getauft hatten, stiegen wir zum Berg der Siege hinauf, wie wir gewohnt waren. Und wir stiegen hinauf und fanden die Säule des Lichtes vor der Höhle. Eine große Furcht fiel wiederum über uns her und wir fielen auf unsere Knie und breiteten unsere Hände aus, unserer früheren Gewohnheit gemäß, und schweigend priesen wir die Vision seiner Wunderdinge. Und wiederum sahen wir, daß der Himmel sich öffnete wie eine große Pforte, und sahen herrliche Männer, die den Stern des Lichtes auf ihren Händen trugen. Und sie stiegen herab und standen über der Säule des Lichtes. Und der ganze Berg war von seinem für einen menschlichen Mund unaussprechlichen Licht erfüllt.

Und es näherte sich uns vor unseren Augen von der Säule und dem Stern her etwas wie die Hand eines kleinen Menschen, was wir nicht imstande waren zu betrachten, und stärkte uns. Und wir sahen den Stern in die Schatzhöhle der verborgenen Mysterien eingehen, und die Höhle wurde über alle Maßen licht. Und von uns wurde eine demütige und sanfte Stimme gehört, die zu uns rief und sagte: »Tretet in Liebe ein, ohne Sorge, und schaut eine große und wunderbare Vision!« Durch das Wort der Stimme wurden wir ermutigt und gestärkt. Und wir traten hinein, indem wir uns (doch) fürchteten, und beugten unsere Knie an der Öffnung der Höhle wegen der Fülle des Lichtes. Und nachdem wir auf sein Wort aufgestanden waren, erhoben wir unsere Augen und sahen dieses für den Mund der Menschen unaussprechliche Licht. Und indem es sich verdichtet hatte, erschien es uns wie die Glieder eines kleinen und demütigen Menschen und sagte zu uns: »Friede über euch, Genossen der verborgenen Mysterien.«

Und wiederum waren wir durch die Vision erstaunt. Und er sagte zu uns: »Seid nicht durch die Vision, die ihr geschaut habt, bekümmert, daß dieses unaussprechliche Licht euch erschienen ist, das der Stimme des verborgenen Vaters der höchsten Größe (gehört). Und wiederum ist euch erschienen, daß es sein Licht in seinem Glanzwesen verdichtet hat, und es ist euch in der Gestalt eines kleinen und demütigen und schwachen Menschen erschienen, weil die Bewohner der Welt nicht imstande sind, die Herrlichkeit des Eingeborenen Sohnes des Vaters der Größe zu schauen, wenn er ihnen auch in des Gestalt ihrer eigenen Welt erscheint.«

[Die Erscheinung weist die Magier, nach Bethlehem zu ziehen, zur Geburtsstätte des Heilands. Die Magier nehmen die in der Höhle aufbewahrten Gabengeschenke und ziehen unter der Führung des Sterns an den bezeichneten Ort.]

Und wir betraten alle den Raum, wo unser Heil geboren wurde. Und wir sahen eine Höhle, die in Aussehen und Erscheinung der Schatzhöhle der verborgenen Mysterien glich, die sich in unserem Land befand. [Als sie die Höhle betreten, werden sie von dem Jesuskind mit den Worten empfangen:] »Seid gegrüßt, Söhne der verborgenen Schätze, Söhne des höchsten Lichtes im Osten, denn ihr wurdet würdig, das ewige Urlicht zu sehen.« ...

 


 

| Sophia | CeltoSlavica Home |