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des heiligen Columba |
Er sagte zu ihnen: »Bei der Osterfeier im jüngstvergangenen April
habe ich mir sehnsüchtig gewünscht, zu meinem Herrn Christus einzugehen,
und Er hatte es mir gewährt, wenn es mein Wunsch wäre. Aber um
euch nicht die Festesfreude in Trauer zu verkehren, habe ich es
vorgezogen, den Tag meines Abschieds von der Welt noch etwas länger
hinauszuschieben.« Als die Mönche seiner Klosterfamilie diese betrüblichen Worte
hörten, wurden sie sehr traurig. Er tröstete sie, so gut er konnte,
und versuchte, ihre Trauer zu zerstreuen. Dann wandte er sich,
ohne den Wagen zu verlassen, nach Osten um und segnete die Insel
mit allen ihren Bewohnern; seit jenem Tag (...) hat bis heute
das Gift der dreizüngigen Vipern keinem Menschen oder Tier bei
uns irgendwie schaden können. Nach diesen Segensworten ließ sich
der Heilige wieder ins Kloster zurückfahren. Wenige Tage später, während wie üblich der Hauptgottesdienst am
Sonntag gefeiert wurde, sah man plötzlich das Antlitz des ehrwürdigen
Mannes mit leuchtendem Rot überzogen; denn, wie geschrieben steht,
wenn das Herz sich freut, strahlt das Antlitz. In jenem Augenblick
sah er nämlich allein einen Engel des Herrn innerhalb der Kirchenwände
über ihm dahinschweben; und weil der liebliche und friedliche
Anblick der heiligen Engel die Herzen der Erwählten mit Freude
und Jubel erfüllt, so versetzte diese Vision den heiligen Mann
im selben Augenblick in einen Zustand der Freude. Als die Anwesenden ihn nach dem Grund der Freude fragten, die
über ihn gekommen war, da blickte der Heilige zum Himmel auf und
sagte: »Wunderbar und unvergleichlich ist die körperlose Natur
der Engel. Denn seht, ein Engel Gottes, der gekommen war, um ein
Pfand, das Gott lieb ist, zurückzuholen, hat hier in der Kirche
auf uns herniedergeschaut, hat uns gesegnet und ist dann durch
ein kleines Fenster der Kirche, ohne eine Spur seines Ausgangs
zu hinterlassen, heimgekehrt.« Dies waren des Heiligen Worte.
Was aber mit dem Pfand gemeint war, das der Engel zu holen gekommen
war, das konnte keiner der Anwesenden verstehen. Unser Patron
aber meinte mit dem Pfand die eigene Seele, die Gott ihm anvertraut
hatte. Wie ich später berichten werde, ging diese Seele nach weiteren
sechs Tagen, in der folgenden Sonntagsnacht, zum Herrn ein. Am Ende jener Woche, nämlich am Samstag, begab sich der ehrwürdige
Mann und sein treuer Diener Diormit zu einer nahen Scheune, um
sie zu segnen. Der Heilige trat ein, segnete die Scheune und zwei
Haufen geworfelten Korns, die darin waren, sagte Gott Dank und
sprach: »Ich freue mich für die Mönche meiner Gemeinde, daß ihr
selbst um diese Jahreszeit, falls ich mich von euch irgendwohin
fortbegeben muß, ausreichenden Vorrat habt.« Als sein Diener Diormit
dies hörte, wurde er traurig und sprach: »In der letzten Zeit,
mein Vater, hast du uns schon mehrmals betrübt, weil du oft von
deinem Hinscheiden sprichst.« Der Heilige antwortete ihm: »Ich
habe ein Geheimnis für dich. Wenn du mir bindend versprichst,
es vor meinem Tod niemandem anzuvertrauen, dann kann ich dir Genaueres
über mein Hinscheiden sagen.« Der Diener kniete nieder und gab
dem Heiligen das verlangte Versprechen. Darauf sprach der ehrwürdige Mann: »Dieser Tag wird in der Heiligen
Schrift Sabbat genannt, das bedeutet Ruhe. Für mich ist der heutige
Tag ein wirklicher Sabbat, denn es ist der letzte meines mühseligen
Lebens in dieser Welt; nachher werde ich von der Last meiner Mühen
ausruhen. Um die Mitte der kommenden heiligen Sonntagsnacht werde
ich, wie man in der Heiligen Schrift sagt, den Weg meiner Väter
gehen. Denn schon hat mein Herr Jesus Christus mich gnädig eingeladen;
zu Ihm, der mich selbst einlädt, werde ich denn in der kommenden
Nacht eingehen. So ist es mir vom Herrn selbst geoffenbart worden.« Als der Diener diese traurige Eröffnung vernahm, begann er zu
weinen. Der Heilige versuchte ihn nach besten Kräften zu trösten.
Dann verließ der Heilige die Scheune. Auf der Heimkehr setzte
er sich auf halbem Weg nieder; an dieser Stelle wurde später ein
Kreuz mit steinerner Basis errichtet, und es steht noch heute.
Während sich der Heilige wie gesagt dort niedersetzte, um -- altersmüde,
wie er war -- ein wenig auszuruhen, siehe: da kommt ein weißes
Pferd auf ihn zu, der gehorsame Diener; es pflegte die Milcheimer
zwischen den Kuhställen und dem Kloster hin und her zu tragen.
So wunderbar es klingen mag, dieses Tier ging auf den Heiligen
zu, legte seinen Kopf in dessen Schoß -wie ich glaube, auf Gottes
Eingebung, vor dem jedes Tier, wenn der Schöpfer es befiehlt,
Vernunft annimmt -und betrauerte seinen Herrn, der, wie es wußte,
bald von ihm gehen und den es dann nicht wieder sehen sollte;
wie ein Mensch ließ es einen Strom von Tränen in den Schoß des
Heiligen fließen und weinte, daß ihm der Schaum kam. Als der Diener das sah, wollte er das tränenreich trauernde Tier
fortjagen; doch der Heilige verbot es ihm und sagte: »Laßt meinen
Freund, laßt ihn doch die Tränen bitterer Trauer in meinen Schoß
weinen. Siehe, du bist ein Mensch, du hast eine vernünftige Seele,
und doch hast du von meinem Hinscheiden keine Ahnung haben können,
bis ich selbst dir vor kurzem davon Kunde gab. Aber diesem stumpfen
und unvernünftigen Tier hat sein Schöpfer nach Seinem Willen untrüglich
enthüllt, daß sein Herr von ihm scheiden wird.« Mit diesen Worten
segnete er seinen treuen Diener, das Pferd, das sich traurig auf
den Rückweg machte. Dann ging er weiter, und als er auf einen Hügel gekommen war,
der unmittelbar hinter dem Kloster stand, blieb er einen Augenblick
stehen, erhob beide Hände, segnete sein Kloster und sprach: »Diesem
Ort, so klein und ärmlich er ist, werden nicht nur die Könige
Irlands mit ihren Völkern, sondern auch die Herrscher der Fremden
und der Ausländer mit ihren Untergebenen große und ungewöhnliche
Ehre erweisen; selbst die Heiligen anderer Kirchen werden ihm
ganz besondere Verehrung darbringen.« Nach diesen Worten stieg er die Hügel hinab; als er ins Kloster
zurückkam, setzte er sich in seiner Zelle nieder und schrieb an
einem Psalter. Und als er im 33. Psalm zu dem Vers kam, in dem
es heißt: Die den Herrn suchen, werden alles Gute in Fülle haben,
da sagte er: »Hier, am Ende der Seite, muß ich aufhören; Baithene
soll zu Ende schreiben.« In der Tat paßte auf den sterbenden Heiligen der Vers, den er
zuletzt geschrieben hatte, denn ihm wird der ewige Lohn nie fehlen;
auf seinen Nachfolger aber, den Vater und Lehrer geistlicher Söhne,
paßt der folgende: »Kommt, ihr Söhne, höret mich, ich werde euch
die Frucht des Herrn lehren.« Wie der Sterbende gesagt hatte,
war jener sein Nachfolger nicht nur als Lehrer, sondern auch als
Schreiber. Nachdem er so besagten Vers am Ende der Seite geschrieben hatte,
betrat der Heilige die Kirche zur Abendmesse der Sonntagsnacht.
Sobald diese beendet war, begab er sich wieder in seine Zelle
und verbrachte dort die Nacht auf seinem Bett sitzend, das nichts
anderes als ein nackter Fels war. Dort also setze er sich nieder und gab seinem Diener, der allein
bei ihm war, seine letzten Aufträge an die Brüder: »Dies, meine
lieben Söhne«, so sagte er, »sind die letzten Worte, die ich an
euch richte: Liebt euch in gegenseitiger, ungeheuchelter Liebe
und lebt in Frieden; wenn ihr so nach dem Vorbild der heiligen
Väter lebt, wird Gott, der die Guten stärkt, euch zu Hilfe kommen,
und ich werde, wenn ich bei Ihm bin, für euch bitten. Ihr werdet
von Ihm nicht nur alles reichlich erhalten, was zum gegenwärtigen
Leben nötig ist, sondern auch euren Anteil an dem Lohn der ewigen
Güter, der denen bereitet ist, die das Göttliche vor Augen haben.«
Hier enden die letzten Worte unseres ehrwürdigen Patrons, der
schon im Begriff war, von dieser lästigen Pilgerfahrt in die himmlische
Heimat zurückzukehren; ich habe sie hier verkürzt wiedergegeben. So kam allmählich seine glückliche letzte Stunde heran. Der Heilige
verstummte. Um Mitternacht, als die Glocke geläutet wurde, erhob
er sich sofort, ging zur Kirche, rascheren Schrittes als alle
anderen, betrat sie allein und ließ sich am Altar auf beide Knie
zum Gebet nieder; sein Diener Diormit, der ihm etwas langsamer
gefolgt war, sah in diesem Augenblick aus der Ferne die ganze
Kirche vom Licht der Engel erfüllt, das dem Heiligen entgegenstrahlte,
doch im Augenblick, da er sich der Tür näherte, verschwand das
Licht; aber auch andere Brüder hatten es aus der Ferne, wo sie
standen, gesehen. Diormit betrat die Kirche und rief mit trauriger
Stimme: »Wo bist du, Vater?« Und da die Brüder mit ihren Laternen
noch nicht zur Stelle waren, tastete er sich in der Dunkelheit
vorwärts, bis er den Heiligen vor dem Altar liegend gefunden hatte.
Er richtete ihn ein wenig auf, setzte sich neben ihn und legte
das Haupt des Heiligen in seinen Schoß. Inzwischen war die Schar
der Mönche mit ihren Laternen angelangt, und als sie ihren Vater
im Sterben sahen, brachen sie in Klage aus. Der Heilige -- so haben wir von manchen, die Augenzeugen waren,
vernommen -, den seine Seele noch nicht verlassen hatte, önete
die Augen, erhob sie zum Himmel und blickte dann nach rechts und
links mit einem wunderbar heiteren und freudigen Gesichtsausdruck
um sich; er sah nämlich Engel, die ihm entgegenkamen. Diormit
stützte die rechte Hand des Heiligen, damit er die versammelten
Mönche segnen könne. Auch der ehrwürdige Vater bewegte seine Hand,
so gut er noch konnte, damit er, da er schon im Augenblick des
Auszugs seiner Seele nicht mehr sprechen konnte, wenigstens mit
der Bewegung seiner Hand die Brüder segne. Nachdem er so seine
Absicht kundgetan hatte, den Segen zu spenden, hauchte er sogleich
seinen Geist aus. Kaum hatte dieser das Haus seines Körpers verlassen,
da begann sein Antlitz zu leuchten und blieb so, wunderbar beseligt
in der Anschauung der Engel, so daß er nicht wie ein Toter aussah,
sondern wie ein Lebender im Schlaf. Die ganze Kirche aber hallte
wider von traurigen Klagen.
Leben des hl. Columba (Ende 7. Jh.)
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